Rede zum Haushalt 2022
Rede der Gruppenvorsitzenden Sabine Seifarth
[Es gilt das gesprochene Wort]
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Ratskolleginnen und Kollegen,
nun stehen wir wieder dort wo wir eigentlich nicht mehr hinwollten. Die Stadt verschuldet sich. Dieses Jahr mit rund 5 Millionen Euro.
Dabei haben wir die letzten Jahre, stellenweise auch zusammen mit der SPD, immer darauf gedrungen die sogenannte schwarze Null einzuhalten. Offensichtlich ist das plötzlich Geschwätz von gestern, Ausreden für neue Schulden gibt es bei den, diesen Haushaltsentwurf unterstützenden Parteien, genug.
Als ich neu in den Rat kam, wurden mir viele Geschichten erzählt von einem hoch verschuldeten Haushalt in Goslar, damals unter Verantwortung der SPD und FDP; in Vienenburg war es ähnlich. Da half nur noch die Fusion, bzw. der Zukunftsvertrag und in den letzten Jahren ist die Entschuldung auch recht gut gelungen, weil sich viele der Verantwortung für eine generationengerechte Zukunft nicht entzogen haben.
Dies ist mit dem jetzigen Haushaltsentwurf, mit einer neuen Verwaltungsspitze und einer zumindest informellen großen Koalition, offensichtlich nicht mehr der Fall.
Deshalb wird die Gruppe GRÜNE PARTEI 42 den Haushalt ablehnen.
Warum werden wir ihn ablehnen?
Wir sehen in diesem Haushalt nicht die wichtigen Themen der Zukunft abgebildet. Es fehlen Zukunftsvisionen, Ziele, die wir in den kommenden Jahren erreichen wollen, - nein müssen.
Sei es im Klimaschutz, bei der Mobilität, insges. bei einer generationengerechten nachhaltigen Entwicklung der Stadtgesellschaft.
Dieser Haushaltsentwurf verschließt die Augen vor der Realität: Er geht davon aus, dass sich nach Corona alles normalisiert, dass der Krieg mitten in Europa keine Auswirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, dass alles so weiterläuft wie bisher und dass sich alles wieder „normalisiert“ was mal eben das Gleichgewicht stört.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird nicht mehr so werden wie früher:
Wir alle stehen vor neuen Herausforderungen: Die möglichen Folgen des Krieges sind zu bedenken, Corona ist mit Sicherheit nicht erledigt und wird der Gesellschaft und den Kommunennoch Prüfungen auferlegen, die ungeplante Kosten einfordern.
Und ein verantwortlicher Umgang mit der Klimakrise, bei dem unsere Stadt ihren Beitrag leisten muss, ist nicht erkennbar.
Die Bewältigung der Klimakrise, eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, hat in diesem HH nicht viel Platz.
Zwar gibt es jetzt Personal für Umweltfragen und ein Klimaschutzmanagement, Aber ob wir dies hätten, würde die Stelle nicht nahezu fremdgezahlt, wage ich zu bezweifeln.
Konkrete Maßnahmen: weitestgehend Fehlanzeige, oder nur mit dem Etikett versehen, aber ohne nachhaltigen Inhalt.
Ein Beispiel ist der notwendige Radweg zwischen Oker und Vienenburg. Er wird nicht geplant für die tägliche Nutzung, alsangelegte Alternative zum Auto, d.h. auf möglichst kurzem Weg, asphaltiert und ausgeleuchtet, sondern als Freizeitradweg über Wegstrecken, die teilweise nur mit Mountainbikes genutzt werden können. Wird aber dargestellt als ein Beitrag zur Verbesserung der Mobilität und damit zum Klimaschutz.
Oder die geplanten Parkmöglichkeiten in der Innenstadt für Räder an zentraler Stelle, aber gefahrlos hinkommen wurde nicht mitgedacht.
Über jede Klimaschutzmaßnahme müssen wir endlos diskutieren und am Ende setzen sich die Bedenkenträger durch. Zu teuer, wir warten erst mal ab, wie andere Kommunen das machen, usw. Aber die Folgen des Klimawandels sind bereits sichtbar. Das Hochwasser von 2017 verursachte Kosten in Höhe von zweistelligen Millionenbeträgen und das ist erst der Anfang.
Die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen werden die nächsten Jahre viel Geld verschlingen, die Schäden in unseren Wäldern sind immens, für ihre Beseitigung und die Neuausrichtung der Forst wird mit Sicherheit auch viel Geld benötigt werden. Dies sind bereits jetzt die Folgen des globalen Klimawandels, deren Kosten wir alle tragen müssen.
Aber die Mehrheit im Rat und Verwaltung ist nicht bereit, unseren Anteil an eben dieser Klimakrise anzuerkennen und die Verantwortung dafür zu übernehmen, indem sie mutig und vorausschauend, proaktiv entscheidet.
Beispielsweise muss sich die Stadtentwicklung dringend ökologisch aufstellen.
z.B. werden im Verkehrsworkshop richtige und wichtige Dinge herausgearbeitet und am Ende wird nur wenig bis gar nichts davon umgesetzt, nichts davon ist im HH zu finden.
Ein Fehler ist es unserer Meinung nach auch, immer nur auf Fördertöpfe zu schielen, so springen wir von Topf zu Topf anstatt eine gerade Linie zu verfolgen. Wenn es passt, kann man sie gerne mitnehmen aber wir dürfen uns in unseren Entscheidungen nicht daran orientieren.
Dass natürlich viel zu wenig Geld für der erforderlichen Mobilitätswende entsprechende Radinfrastruktur eingestellt ist, erwähne ich nur kurz; das ist ja praktisch ein Dauerbrenner.
Ich zitiere aus der SZ vom 27.10.2021
„In Folge 118 der Serie Bob der Baumeister aus dem Jahr 2005 verhindert der Kinderserien-Held, dass das grüne und blühende Sonnenblumental der Städtebauwut des (ansonsten sehr netten) Architekten Herrn Adam zum Opfer fällt. "Reduzieren, wiederverwerten, recyceln", fordert Bob. Statt Glas, Stahl und Beton reicht er einen Entwurf mit Holzbauten und Grasdächern ein, gewinnt damit den Architektenwettbewerb und bewahrt das Tal vor der Versiegelung“.
„Reduzieren, wiederverwerten, recyceln ist auch in der echten Welt ein wichtiges Motto, wenn es um nachhaltiges Bauen geht und darum, die Klima- und Umweltfolgen von Baumaßnahmen einzuschränken.“
Die SZ berichtet weiter, dass die Non-Profit-Organisation „World Green Building Council“ berechnet hat, dass der Bausektor inzwischen für 40% des weltweiten CO2 Ausstoßesverantwortlich ist. Außerdem für 53 % der jährlich in Deutschland anfallenden Abfallmengen.
Im Bausektor besteht also an unterschiedlichsten Stellen Potential, nachhaltige Beiträge zum Klimaschutz, auch und gerade hier vor Ort, zu leisten. Wir sehen aber leider nur geringe Bereitschaft seitens Verwaltung und zumindest der Mehrheitsfraktionen, dies zu erkennen und Geld in die Hand zu nehmen um die, uns möglichen Maßnahmen, zu ergreifen.
Weiter fehlen uns im diesjährigen Haushalt ausreichende Ansätze für die Investitionen, die unausweichbar auf uns zukommen, wie eben Kita-Neubauten, Schulerweiterungen, bzw. - Umbauten, Feuerwehrhäuser, der Bauhof und noch vielmehr.
Wir können nachvollziehen, dass in heutigen Zeiten die Bereitschaft, konkrete Bausummen zu nennen, nicht groß ist. Steigende Kosten im Bausektor durch Rohstoffknappheit, Personalmangel und globale Verwerfungen müssen jedoch unbedingt mitgedacht werden. Und dass es deshalb schwer fällt, die erforderlichen Aufwendungen für den erforderlichen Klimaschutz, wenn auch nur prozentual zu berücksichtigen.
Aber nur so kann der Rat vorausschauend und verantwortungsbewusst über die notwendigen Investitionen, die ich eben genannte habe, entscheiden.
Die Ausweisung der Aufwendungen in den Mittel- und langfristigen Finanzplanungen hätte bereits bei diesem Haushalt erfolgen müssen, gerade vor dem Hintergrund der vor Kurzem erfolgten Entscheidung zum Kaiserpfalzquartier.
Dann wäre nämlich deutlich geworden, dass die geplantenVerschuldungen nicht eingehalten werden können, sich also noch vermehren werden.
Wir haben bereits an anderer Stelle den Umgang mit den fehlenden Ansätzen kritisiert aber erlauben Sie hier noch einmal die Frage wie wir das Alles bewältigen wollen, wenn wirschon den HH 22 nicht schuldenfrei beschließen können und darin notwendige Investitionen in unsere Zukunft nicht eingeplant sind?
Und, auch wenn der Bau der neuen Stadthalle auf diesen HH noch keine großen Auswirkungen hat, die Kosten dafür - und ich verrate ihnen, dass bei uns darauf schon Wetten laufen, wie teuer sie am Ende sein wird - bremsen mit Sicherheit in den kommenden Jahren Ausgaben für Pflichtaufgaben, an freiwillige Aufgaben mag ich gar nicht denken.
Unsere Gruppe GRÜNE PARTEI 42 setzt sich für einen sozial ökologischen Wandel und damit für eine zukunftsfähige Haushaltspolitik ein. Das ist in diesem Entwurf leider nicht erkennbar und darum lehnen wir ihn ab.